In der letzten Skalpell-Ausgabe sind wir der Frage nachgegangen, ob Aktien risikoreich sind. Nun möchten wir im Gespräch mit Thomas Roth herausfinden, was der Nutzen einer professionellen Vermögensverwaltung ist. Immerhin gibt es seit Jahren unzählige Online-Plattformen, welche zur Selbstverwaltung und zur Minimierung der Kosten einladen.
Herr Roth, brauche ich in der heutigen digitalen Zeit noch einen Vermögensverwalter?
Es war tatsächlich noch nie so einfach selbst ein Aktiendepot zu verwalten. Die Eröffnung erfolgt online, allenfalls sogar über das Smartphone. Beim Kauf von Aktien gibt es keine Mindestkaufmengen mehr und die Handelskosten sind generell gesunken.
Der Vorteil einer professionellen Vermögensverwaltung geht aber weit über das reine Kaufen/Verkaufen hinaus. Wir sehen drei Hauptfunktionen bei einer professionellen Wertschriftenverwaltung:
- Aktienresearch
- Neutralität & Transparenz
- Disziplin
Können Sie uns das genauer erklären?
Beginnen wir mit dem ersten Punkt, dem Aktienresearch. Bei der Titelwahl wird der Vermögensverwalter zuerst eine Negativselektion vornehmen. Ganze Branchen und Sektoren werden hier generell oder vorübergehend ausgeschlossen. Beim generellen Ausschluss kommen die ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, nachhaltige Unternehmensführung) zur Anwendung. So werden Investments in Branchen wie Waffen, Tabak, Glücksspiel usw. generell ausgeschlossen. Klingt einfach, ist in der Realität aber komplex, da es viele Unternehmen gibt, welche nur zu kleinen Teilen in problematischen Bereichen tätig sind. Will ein Privatinvestor dieses Thema seriös angehen, dann ist viel Recherchearbeit notwendig.
Weiter werden in der Vermögensverwaltung auch ganze Branchen, welche aktuell nicht als attraktiv bewertet werden, vorübergehend ausgeschlossen.
Zwischenfrage: Mich würde interessieren, wie mit dem Thema Öl, Bergbau usw. umgegangen wird. Sind diese Titel auch gänzlich ausgeschlossen?
Nein, diese Titel werden nicht generell ausgeschlossen. Die Idee dahinter ist einfach. Wir sind wohl alle froh, dass die Bedeutung von Öl kontinuierlich abnimmt, trotzdem wird dieser Rohstoff noch viele Jahre benötigt. Die Wirtschaft würde einen sofortigen Umstieg gar nicht bewältigen können. Stellen Sie sich vor, wir würden Ende 2021 einfach alle Öl-Heizungen abstellen und alle Autos, Land- und Baumaschinen sowie Flugzeuge mit Verbrennungsmotoren lahmlegen. Das gäbe einen Kollaps.
Zudem werden wir wohl auf den Bergbau nie gänzlich verzichten können. Daher macht es aus unserer Sicht Sinn, hier auf die Branchenbesten zu setzen und die schwarzen Schafe zu meiden. Es gibt z.B. Öl-Förderunternehmen, welche stark in erneuerbare Energien investieren und so aktiv eine Transformation zu einem nachhaltigeren Energiekonzern anstreben.
Wenn ich diese Themen trotzdem ausschliessen möchte, wäre das möglich?
Ja, auf jeden Fall. Schlussendlich kann in einer individuellen Vermögensverwaltung jeder Kunde selbst entscheiden, ob gewisse Titel in seinem Depot ausgeschlossen werden sollen.
Danke. Was passiert nach dieser Negativselektion?
Im Anschluss an diese erste Selektion werden von den verbleibenden Unternehmen die qualitativ besten Titel selektioniert (Kriterienkatalog siehe Grafik). Gerade in der heutigen Zeit zeigt sich, dass die Qualität sehr wichtig ist. In Schönwetterphasen können viele Unternehmen bestehen. Wird es aber ungemütlich, dann spielt z.B. der Verschuldungsgrad oder das Erwirtschaften eines freien Cash-Flows eine absolut zentrale Rolle. Genau diese Datenbeschaffung ist für den Direktinvestor sehr aufwändig. Zu guter Letzt wird dann auch noch in jedem einzelnen Depot auf einen guten Branchenmix und Korrelationseigenschaften geachtet. Es macht keinen Sinn, gleichzeitig mehrere ähnliche Titel im Depot zu haben, so z.B. die Lifthersteller Schindler und Kone.
Was verstehen Sie unter dem nächsten Punkt «Neutralität & Transparenz»?
Uns ist es wichtig, dass wir den Kunden eine neutrale Dienstleistung anbieten können. Daher delegieren wir die Vermögensverwaltung an ausgewählte Partner. Aktuell arbeiten wir mit drei Privatbanken und einem Vermögensverwalter zusammen.
Die Transparenz stellen wir insofern sicher, als dass die Vermögensverwaltungsaufträge mit Pauschalkosten arbeiten. So kennt der Kunde im Voraus die Gesamtkosten und erlebt keine böse Überraschung. Wo immer möglich wird aus Kostenüberlegungen auf Fonds verzichtet. Punktuell werden physisch replizierte ETF’s und wo immer möglich Direktanlagen eingesetzt.
«Disziplin», was hat das mit Vermögensverwaltung zu tun?
Ja, das ist interessant und extrem wichtig. Leider wird dieser Punkt viel zu selten diskutiert. Es erfordert eine unglaubliche Disziplin eine Anlagestrategie über Jahre oder Jahrzehnte aufrecht zu erhalten. Die Versuchung davon abzuweichen ist riesig.
Ein professioneller Vermögensverwalter verzichtet auf extreme Timing-Entscheide. Er versucht Ruhe zu bewahren und keine unüberlegte Hektik bei Marktturbulenzen aufkommen zu lassen.
Ein Investor, welcher sein eigenes Geld verwaltet, kann sich nur sehr selten seiner Gefühlswelt komplett entziehen und rein rationale Anlageentscheide fällen. Nicht verwunderlich, ist es doch sein hart erarbeitetes Geld!
In welchen Situationen bekommt der Selbstverwalter oft kalte Füsse?
Dazu habe ich kein statistisches Material. Ich beobachte aber immer wieder folgende zwei Dilemmas:
- Wann ist der beste Zeitpunkt für einen Kauf oder Verkauf? Oftmals werden gut laufende Titel zu früh verkauft und schlecht laufende Titel unendlich lange im Depot belassen mit der Idee, den Verlust auszusitzen.
- Bei der Ansicht eines Börsencharts ist allen klar, dass bei tiefen Kursen gekauft und bei hohen Kursen verkauft werden sollte. Wer aber bringt den Mut auf bei sinkenden Kursen regelmässig zu investieren? Ich kenne zumindest nicht so viele Leute, die das konsequent umsetzen.
Im Alter muss man sich zudem die Frage stellen, wie lange man das Geld selbst verwalten will und kann.
Das macht alles Sinn. Was aber, wenn jemand Freude an der selbständigen Vermögensverwaltung hat? Raten Sie generell davon ab?
Natürlich nicht. Ich kann gut nachvollziehen, wenn das jemandem Spass bereitet. Ich rate aber bei grösseren Vermögenswerten zu einer Aufteilung. Einen Teil professionell verwalten lassen und den Rest selbst bewirtschaften. Oft ergänzen sich solche Depots sogar sehr gut, da der Vermögensverwalter tendenziell die Risiken anders einschätzt und so meistens weniger Risiken eingeht als der Selbstverwalter.
Wollen Sie unseren Lesern sonst noch etwas mit auf den Weg geben?
Ja, sehr gerne. Wir schauen uns viele Depots an und beobachten, dass sehr viele davon nicht überzeugend bewirtschaftet werden. Zu teuer, unstrukturiert und ineffizient. Wir bieten daher eine kostenlose Depotanalyse an. Nutzen Sie die Chance und lassen Sie Ihr Depot von uns unabhängig überprüfen.