Eigenheimbesitzer stellen sich irgendwann die Frage, wie hoch die Hypothek nach der Pensionierung sein soll. Eng mit dieser Fragestellung verknüpft ist auch der Entscheid Kapital oder Rente im BVG. Da diese beiden Punkte in der Finanzplanung der meisten Ärzte zentral sind, wollten wir von Sergio Kaufmann mehr zu diesem Thema erfahren und wissen, welche Tipps er für unsere Leser hat.
Gibt es eine Faustregel, wie hoch die Hypothek im Alter sein sollte?
In der Literatur findet man natürlich solche Pauschalaussagen. Wir legen jedoch Wert auf eine individuelle Beurteilung der Situation. Gerade die Ärzteschaft hat oftmals viele Planungsmöglichkeiten und da gilt es den optimalen Weg herauszufinden. Wichtig ist, dass die Tragbarkeit gegeben ist, die gewünschten Lebenshaltungskosten im dritten Lebensabschnitt mit genügend liquiden Mitteln abgesichert sind und eine vernünftige Steuerplanung zugrunde liegt.
Sie erwähnen die Tragbarkeit. Beim aktuellen Zinsniveau ist dieser Punkt wohl kaum ein Problem?
Könnte man meinen. Die Kreditgeber müssen aber die Tragbarkeit nicht mit dem aktuellen Marktzins berechnen, sondern mit einem historischen Durchschnittszins. Aktuell liegt dieser um die 5 %. Die Tragbarkeit ist somit gegeben, wenn der erwähnte kalkulatorische Zinssatz auf der Hypothek und fiktive Unterhaltskosten von 1 % des Immobilienwerts nicht mehr als 1/3 des jährlichen Einkommens ausmachen (siehe Beispiel im Kasten). Ist das Einkommen, zu welchem je nach Bank auch ein Kapitalverzehr gerechnet werden kann, höher, dann ist die Tragbarkeit gegeben.
Gibt es eine einfache Formel, wie man den Vermögensbedarf im Pensionszeitpunkt ermitteln kann?
Ja, die gibt es tatsächlich. Dazu muss man zuerst definieren, wie hoch die jährlichen Lebenshaltungskosten sind. Benötigt zum Beispiel ein Ehepaar zusätzlich zur AHV-Rente CHF 100‘000 zum Leben, dann kann man diesen Wert in der Regel mit 25 Jahren multiplizieren. Dies ergibt einen Bedarf von CHF 2.5 Mio. Ist das verfügbare Vermögen höher, dann kann man den Überschuss zum Beispiel für die Amortisation der Hypothek verwenden.
Sie empfehlen somit nicht in jedem Fall die Tilgung der Hypothek mit der Idee des „gratis“ Wohnens im Alter?
Das ist eine sehr idealistische Idee, welche ich aber gut nachvollziehen kann. Deren Umsetzung darf aber in keinem Fall später zu einem Liquiditätsengpass führen. Was bringt es mir, wenn ich eine Immobilie ohne Hypothek im Wert von CHF 1 Mio. besitze, mein Bankkonto aber leer ist? Eine Hypothek im Alter wieder aufzustocken ist sehr schwierig oder oftmals gar nicht mehr möglich. Leider sehen wir immer wieder Fälle, bei welchen bereits heute absehbar ist, dass irgendwann die Immobilie verkauft werden muss, weil sonst das Geld ausgeht. Man kann nur hoffen, dass in diesem Zeitpunkt der Immobilienmarkt nicht in einer Krise steckt.
Ist es nicht Aufgabe der kreditgebenden Bank dies zu prüfen?
Die Bank prüft natürlich die Tragbarkeit zum Zeitpunkt der Vergabe der Hypothek. Erfolgt die Vergabe der Hypothek nur wenige Jahre vor der Pension, dann wird in der Regel auch die Tragbarkeit nach dem Pensionierungszeitpunkt angeschaut. Ansonsten wird diesem Thema oftmals nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt.
Würden Sie die Hypothek direkt oder indirekt amortisieren?
Die Frage ist immer, wie man bei der indirekten Amortisation das Geld anlegen soll. Ist die Verzinsung der Geldanlage höher als der Hypothekarzins, dann rechnet sich eine indirekte Amortisation. Ansonsten ist davon abzuraten. Wichtig ist, dass bei der Berechnung immer der Faktor Steuern miteinbezogen wird.
Das heisst konkret?
Ich erkläre dies anhand eines Beispiels: Eine 10-jährige Hypothek wird mit 1.5 % Zins abgeschlossen. Dieser Zins kann vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden und so verbleiben netto rund 1 % Kosten übrig. Anstelle der Amortisation wird nun ein Einkauf ins BVG gemacht. Je nach Situation können die Steuereinsparungen rund 30 % des Einkaufs ausmachen. Zudem verzinsen die Ärzte-BVG-Stiftungen aktuell ihr Guthaben mit 1.5 % bis 3 %. Die indirekte Amortisation ist in diesem Fall also ein sehr gutes Geschäft.
In welchem Alter sollte man sich den Fragen Hypothek im Alter bzw. Rente oder Kapital stellen?
Das sind nicht isoliert zu betrachtende Fragestellungen. Es ist daher nie zu früh, sich mit der eigenen Finanzplanung zu beschäftigen. Natürlich planen wir bei einem Paar Mitte Vierzig nicht wie im Detail die Pensionierung ablaufen wird. Aber ein gutes BVG-Einkaufs- und Sparkonzept, eine solide Finanzierung des Eigenheims bzw. eine gut geplante Amortisation der Hypothek und damit verbunden die Absicherung der Familie bilden bereits früh die Grundlage um im Alter nicht plötzlich vor unliebsamen Überraschungen zu stehen. Daher ist es nie zu früh, sich mit der eigenen Finanzplanung zu beschäftigen.
Berechnungsbeispiel
Wert Immobilie | 800‘000 |
Landwert | 500‘000 |
Total Wert | 1‘300‘000 |
Hypothek | 800‘000 |
5 % kalkulatorischer Zins auf Hypothek | 40‘000 |
1 % Unterhalt auf Immobilienwert 800‘000 | 8‘000 |
Total Kosten | 48‘000 |
Erforderliches Einkommen (Kosten x 3) | 144‘000 |