Es ist schon lange her. Aber vor Corona gab es auch bereits ein grosses omnipräsentes Thema. Nachhaltigkeit und Klimaschutz waren damals in aller Munde. Die grünen Parteien verzeichneten traumhafte Zuwachsraten in den Parlamenten Europas und viele andere Politiker versuchten sich zumindest einen grünen Anstrich zu verpassen. Daher nehmen wir dieses Thema für unser Magazin wieder auf und wollten wissen, wie Roth Gygax & Partner AG mit der Nachhaltigkeit in Bezug auf die Geldanlage umgeht. Dazu haben wir mit Stefan Walther einen Finanzexperten mit langjähriger Erfahrung befragt.
Herr Walther, werden Sie von Kunden bei der Geldanlage aktiv auf das Thema Nachhaltigkeit angesprochen?
Wir werden sicher vermehrt auf diese Themen angesprochen. Aber insgesamt gesehen immer noch recht selten.
Das erstaunt mich. Was denken Sie, weshalb dies so ist?
Die Komplexität ist sehr hoch, sobald man sich vertiefter in dieses Thema hineindenkt. Heute steht vor allem der Klimaschutz im Vordergrund. Es gibt aber eine ganze Fülle von Nachhaltigkeitsthemen wie z.B. Ethik, Ökologie, Soziales usw. Die Geldanlage muss langfristig funktionieren, die Gewichtung der Themen ändert sich aber oftmals rasch. Zudem hat jeder Investor individuelle Wertevorstellungen.
Können Sie das konkreter erläutern?
Wie soll beispielsweise in punkto Ethik bei den Themen Fortpflanzungsmedizin, Abtreibung oder Antibabypillen für alle Investoren eine einheitliche Strategie definiert werden? Bei Rüstungsgütern scheint die Ausgangslage klarer zu sein. Doch wie steht es um einen Pneuhersteller, welcher auch Militärfahrzeuge bereift oder ein Produzent von Rohstoffen, welche auch zum Bau von Waffen verwendet werden können? Bei Grosskonzernen kommt noch dazu, dass oft nur ein kleiner Anteil des Gesamtumsatzes problematisch beurteilt wird. Ab welchem Umsatz soll der Konzern als Ganzes ausgeschlossen werden? Sie sehen, sehr komplex und sehr individuell. Zudem sollte die Anlage auch noch effizient, kostengünstig und schlussendlich erfolgreich sein.
Ist somit nachhaltig Geld anlegen überhaupt umsetzbar?
Auf jeden Fall. Sie ist sogar schon sehr präsent, nur haben wir dies gar nicht so mitbekommen. Vor 20 Jahren wurde uns prognostiziert, dass eine nachhaltige Welle bei der Geldanlage auf uns zukommt. Die Welle ist auch tatsächlich gekommen, aber nicht in der Form eines Tsunamis sondern ganz gemächlich. Sie hat sozusagen die herkömmliche Vermögensverwaltung nachhaltig verändert.
Wie meinen Sie das?
Es gibt eine ganze Reihe von nachhaltigen Fonds, welche aber ehrlich gesagt insgesamt einen sehr geringen Anteil an allen angelegten Vermögenswerten vereinen. Viel wichtiger ist, dass sehr viele BVG-Stiftungen, Lebensversicherungen, Banken und Vermögensverwalter bereits bei der herkömmlichen Geldanlage gewisse nachhaltige Kriterien anwenden. Zwar kann jedes Institut grundsätzlich selber definieren, welche Kriterien wie gewichtet werden. Sicher ist aber, dass es sich kaum ein Institut leisten kann, nichts zu unternehmen. Um glaubwürdig zu sein, sind mittlerweile viele Institute Mitglied in verschiedenen Organisationen und Netzwerken und unterstellen sich freiwillig unabhängigen Regelwerken. Auch wird heute von vielen Instituten öfters das Stimmrecht als Aktionär wahrgenommen, was wiederum zur Mässigung des Managements führen sollte.
Wie kann ein solcher Nachhaltigkeit-Ansatz in der Praxis aussehen?
Der häufigste und recht einfache Ansatz ist, gewisse Firmen oder Branchen aus dem zur Verfügung stehenden Anlageuniversum auszuschliessen. Oftmals geht es hier um Themen wie Rüstung, Alkohol, Tabak, Glücksspiel usw. Ein weiterer Ansatz ist der Best-in-Class-Ansatz. Dabei wird auf Anlagen von Unternehmen gesetzt, die in Bezug auf ökologische, soziale und unternehmensführungsspezifische Kriterien («Environment, Social and Governance»-Kriterien, kurz ESG-Kriterien) besonders gut abschneiden. Es werden also nicht ganze Branchen ausgeschlossen. Stattdessen werden die Branchenleader nach besagten Kriterien ausgewählt.
Der Ansatz des Ausschlusses scheint klar zu sein. Haben Sie zum Best-in-Class-Ansatz ein konkretes Beispiel?
Ich finde die Ölindustrie ein gutes Beispiel. Beim Best-in-Class-Ansatz wird also nicht die Ölindustrie als Ganzes ausgeschlossen, sondern es wird auf die „Guten“ gesetzt. Die schwarzen Schafe werden sozusagen aussortiert. Die Überlegung dahinter ist, dass in möglichst zukunftsfähige Unternehmen investiert werden soll. Innovation, attraktiver Arbeitgeber und somit Rekrutierung der besten Mitarbeiter und die Vermeidung von Skandalen sind hier wichtige Treiber. So gibt es Ölkonzerne, welche stark auf erneuerbare Energien setzen und sich so auf die Zeit nach dem Öl vorbereiten. Dieser Auswahlprozess macht für den Investor langfristig Sinn und erzeugt Druck auf die Unternehmen, sich stetig zu verbessern.
Wenn alles schon so perfekt läuft, muss ich als Privatinvestor dann nichts mehr unternehmen?
Von „perfekt“ sind wir wohl immer noch weit entfernt. Daher ist eine kritische Hinterfragung heute genau so wichtig wie vor 20 Jahren. Die eingeschlagene Richtung stimmt aber sicher und ich bin überzeugt, dass in den nächsten 20 Jahren noch sehr viel passieren wird.
Wie setzt Roth Gygax & Partner AG das Thema “Nachhaltig Geld anlegen” um?
Roth Gygax & Partner AG ist ein neutraler Finanz- und Versicherungsberater. Wir haben keine eigenen Produkte oder bieten auch keine eigene Vermögensverwaltung an. Wir suchen uns immer die besten Partner am Markt aus und bieten diese Lösungen den Kunden an. Daher haben wir natürlich eine grosse Bandbreite an Lösungen. Nachhaltige Fondsanlagen, Anbieter mit hohen standardisierten Nachhaltigkeitsregelwerken und kleinere Anbieter mit sehr individuellen Lösungen.
Ihr Fazit?
Anlagen welche ethische, ökologische und soziale Standards einhalten sollen, sind komplex. Es gibt nicht viele Unternehmen, welche klar schwarz oder weiss sind. Für Anleger, welche sich sehr tief in das Thema “Nachhaltig Geld anlegen” einarbeiten gibt es eine Fülle von spezialisierten Lösungen. Wichtig ist aber festzuhalten, dass bereits bei herkömmlichen Anlagen in den letzten Jahren viel gegangen ist und somit den Anforderungen der meisten Anleger an eine nachhaltige Anlage dem Zeitgeist entsprechend gerecht werden. Schlussendlich sollen sich die Anleger ohne schlechtes Gewissen über eine hoffentlich gute Performance freuen können.
Zur Person
Stefan Walther, 45, ist seit 1991 in der Finanzwelt tätig und verfügt über viel Branchen-Know-how. Seit der Gründung 2003 der Roth Gygax & Partner AG ist er unter anderem Anlaufstelle für viele Berater, welche bei komplexen Finanz- und Pensionsplanungen eine Zweitmeinung einholen wollen. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung und gilt als ausgewiesener Fachspezialist im Finanzbereich.