Alle im BVG versicherten Personen erhalten jährlich einen aktuellen Vorsorgeausweis zugestellt. Nach unseren Erfahrungen ist oftmals das Zahlenwirrwarr nicht von allzu grossem Interesse. Zu Unrecht, finden zumindest wir. Hat doch ein grosser Teil der Ärzteschaft einen beachtlichen Teil des Vermögens dieser Anlageform anvertraut. Wir wollten einen genauen Blick auf diesen Vorsorgeausweis werfen und haben Sergio Kaufmann, Geschäftsleitungsmitglied der Roth Gygax & Partner AG, als langjähriger Vorsorgespezialist in dieser Angelegenheit befragt.
Herr Kaufmann, was können Sie uns generell zum Vorsorgeausweis sagen?
Beim Vorsorgeausweis gibt es sehr viele Detailinformationen. Grob gesagt geht es aber immer um folgende drei Bereiche:
- Altersvorsorge: alles zum Sparprozess mit Informationen zum Kapital- oder Rentenbezug
- Risikoleistungen: welche Leistungen werden bei Invalidität oder im Todesfall fällig
- Finanzierung: was kosten die verschiedenen Bereiche und wer bezahlt was
Wo beginnen wir?
Ich würde mit dem Lohn starten. Man findet oftmals mehrere aufgeführte Löhne, da im BVG nicht automatisch der AHV-Lohn versichert ist. Zudem kann man zum Sparen und für die Berechnung der Risikoleistungen zwei unterschiedliche Löhne definieren. Gemäss Gesetz muss nur der Lohnanteil zwischen CHF 25’725 – dem Koordinationsabzug – und CHF 88’200 versichert werden. Bei angestellten Ärzten und Ärztinnen z.B. in Spitälern sehen wir oftmals, dass nicht der ganze Lohn versichert ist.
Moment Herr Kaufmann, ist somit ein angestellter Arzt oder eine angestellte Ärztin nicht automatisch ausreichend versichert?
Leider nein. Letzte Woche hatte ich wieder einmal ein gutes Beispiel. Ein 50-jähriger Arzt, welcher rund CHF 300’000 verdient, hatte einen versicherten Lohn von CHF 250’000. Der Sparbeitrag pro Jahr lag bei rund CHF 30’000. Dank verschiedener kleinerer Einkäufe in den letzten Jahren hatte er immerhin schon ein Guthaben von CHF 500’000 angespart. Die Simulation auf dem Vorsorgeausweis ergibt folgendes Bild:
Altersleistungen | Kapital mit 2 % Zins | Rente mit 2 % Zins | Umwandlungssatz |
im Alter 65 | 1’553’383 | 80’776 | 5.20 % |
im Alter 63 | 1’395’985 | 69’799 | 5.00 % |
im Alter 60 | 1’171’274 | 55’050 | 4.70 % |
im Alter 58 | 1’028’714 | 45’263 | 4.40 % |
Im ersten Moment sieht das doch recht gut aus. Man bedenke aber, dass weder der Zins noch der Umwandlungssatz, mit welchem man die Altersrente berechnet, garantiert sind. In den letzten Jahren waren beide Werte massiv unter Druck. Im aktuellen Zinsumfeld wird der Druck sicherlich abnehmen. Dafür haben wir aktuell eine Teuerung über dem Verzinsungssatz von 2 %, was die Situation in Zukunft nicht wirklich verbessert.
Und was bedeutet dies nun für diesen 50-jährigen Arzt?
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass dieser Arzt aktuell über ein Einkommen von CHF 300’000 verfügt, er im Pensionszeitpunkt zusammen mit der maximalen AHV-Rente aber nur noch über ein Einkommen von CHF 110’000 verfügen wird, fast 2/3 weniger als heute. Da muss eine gute Einkaufsstrategie ergänzt mit der privaten Vorsorge unbedingt geprüft werden.
Auf dem Vorsorgeausweis unter der Rubrik «Vorhandenes Vorsorgeguthaben» finde ich den Wert «Guthaben gemäss BVG». Was bedeutet dies?
Das «Vorhandene Vorsorgeguthaben» ist das aktuell angesparte Guthaben. Darin enthalten ist das «Guthaben gemäss BVG». Das BVG-Gesetz bezieht sich auf den oben beschriebenen Lohnbereich zwischen CHF 25’725 und CHF 88’200 mit Sparbeiträgen je nach Alterskategorie von 7 %, 10 %, 15 % und 18 %. Alles in diesem Bereich angesparte Kapital führt man unter «Guthaben gemäss BVG» auf. Der Rest gehört zum sogenannten Überobligatorium. Der viel diskutierte gesetzliche Umwandlungssatz von 6.8 % oder der vom Bundesrat festgelegte Mindestzins von aktuell 1 % bezieht sich immer nur auf dieses Guthaben gemäss BVG. Daher sind diese viel diskutieren Werte für eine gutverdienende Ärztin praktisch irrelevant, für einen minimalversicherten Hilfsarbeiter aber absolut zentral.
Weshalb führt man die Einkäufe der letzten Jahre auf dem Vorsorgeausweis auf?
Dies ist wichtig, da diese Einkäufe drei Jahre lang nicht in Kapitalform bezogen werden dürfen, egal ob infolge Pensionierung, Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder Kauf eines Hauses. Wobei es hier zwei Betrachtungsweisen gibt. Aus Sicht der Stiftung dürfen nur die konkreten Einkäufe der letzten drei Jahre nicht ausbezahlt werden. Aus Sicht der Steuerverwaltung darf kein Kapital aus der 2. Säule ausbezahlt werden, weder aus dem aktiven BVG noch aus einer Freizügigkeitsanlage. Findet trotzdem eine Auszahlung statt, wird der Steuerabzug von den betroffenen Einkäufen wieder als Einkommen aufgerechnet und versteuert. Zudem werden Einkäufe und eingebrachte Freizügigkeitsguthaben im Todesfall oftmals anders behandelt als die ordentlichen Sparbeiträge.
Bei den Einkäufen ist praktischerweise auch das Einkaufspotential aufgeführt. Was können Sie uns dazu sagen?
Die Differenz zwischen dem aktuellen Vorsorgeguthaben und dem theoretisch maximalen Guthaben bildet das Einkaufspotential. Die versicherte Person kann also theoretisch verpasste Einzahlungen der Vergangenheit steuerwirksam nachholen. Beim Einkaufspotential «vorzeitige Pensionierung» kann man zudem die Differenz des Altersguthaben per ordentlichem Pensionierungszeitpunkt und dem Zeitpunkt der Frühpensionierung, z.B. im Alter 62, vorfinanzieren.
Dann haben wir noch die Rubrik Risikoleistungen. Wie sind diese zu beurteilen?
Leistungen (Risikolohn CHF 250’000) | Rente |
Invalidenrente (40 % des Risikolohns) | 100’000 |
Invalidenkinderrente (20% der Invalidenrente) | 20’000 |
Partnerrente (60 % der Invalidenrente) | 60’000 |
Waisenrente (20 % der Invalidenrente) | 20’000 |
Hier sind die Invaliden- und Hinterbliebenenrenten ersichtlich. Die Kinderrenten werden für jedes Kind bis Alter 18 oder wenn es in Ausbildung ist bis maximal Alter 25 ausbezahlt. Die Wartefrist der Invalidenrente beträgt in der Regel 2 Jahre. Bei Invalidität wird zudem auch noch die Prämienbefreiung gewährt. Bei selbständigen Ärzten sind diese Rentenleistungen aus der zweiten Säule oftmals inkl. Unfalldeckung. Bei angestellten Ärzten ist der Unfall über das UVG gedeckt und daher werden aus der zweiten Säule vor allem Leistungen bei Krankheit erbracht.
Erklären Sie uns die Prämienbefreiung auf dem Vorsorgeausweis. Das verstehe ich noch nicht ganz.
Wird jemand invalid, dann bezahlt die Stiftung die Prämien längstens bis zum ordentlichen Pensionszeitpunkt. Das ist insofern wichtig, da man die oben erwähnten Invalidenrenten nur bis zum ordentlichen Pensionsalter erhält. Danach kommt die ordentliche Altersleistung zum Tragen. Würde nun eine Ärztin oder ein Arzt invalid, dann hätte diese Person wegen dem unterbrochenen Sparprozess im Alter zu wenig Geld zum Leben. Daher ist es zentral, dass das Sparen weitergeführt wird.
Wissen das die Versicherten?
Die Wenigsten sind sich dieser Thematik bewusst. Wir sitzen oftmals mit Kunden zusammen, welche einen grossen Teil des Altersguthabens mittels Einkäufe aufbauen und dafür die Sparrate nicht auf dem Maximum versichert haben. Wird nun diese Person invalid, dann wird niemand mehr die Einkäufe tätigen und das Altersguthaben wird nicht im gewünschten Umfang anwachsen. Daher empfehlen wir zuerst die Sparrate zu erhöhen und erst danach Einkäufe zu tätigen.
Nun haben wir noch das Thema der Finanzierung. Was gilt es da festzuhalten?
Dieser Teil ist vor allem bei angestellten Ärzten wichtig, da der Arbeitgeber einen Teil der Prämien übernimmt. Im Minimum muss der Arbeitgeber 50 % der Prämie bezahlen. Er kann aber auch einen höheren Beitrag leisten, auf der Gesamtprämie oder z.B. auch nur auf den Risikoprämien.
Ich glaube, wir haben nun alle Punkte angeschaut. Vielen Dank Herr Kaufmann. Noch ein kurzes Schlusswort?
Nehmen Sie sich Zeit für Ihr BVG. Schauen Sie den Vorsorgeausweis an und falls Sie Fragen dazu haben, rufen Sie unsere BVG-Hotline an.
BVG-Hotline
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